Ergebnisse der Umfrage zum Fachkräftemangel in Berliner Kitas

Die Versorgung der Familien mit Kita-Plätzen im Land Berlin bleibt herausfordernd. Um die steigenden Bedarfe der Stadt zu decken und Bildungsbeteiligung für möglichst alle Kinder im Kita-Alter zu ermöglichen bedarf es zusätzlicher Fachkräfte, weiterer Kita-Plätze und pragmatischer politischer Entscheidungen. Laut neuer Kitaentwicklungsplanung 2027/2028 vom Oktober 2023 errechnet die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie einen im Vergleich zur KEP 2025/2026 geringeren Mangel an Kitaplätzen und Personal. An den Platzkapazitäten kann es demnach nicht liegen. Demnach gäbe es genügend Platzkapazitäten in der Stadt. Es wären vielmehr die Träger, die Kita-Plätze aus unterschiedlichen Gründen nicht betreiben können.

Wir haben im Zeitraum vom 18.09.-21.10.2023 eine Umfrage unter freien Kita-Trägern zum Fachkräftemangel durchgeführt, um uns mit dieser Einschätzung auseinander zu setzen. An der Umfrage haben sich 34 freie Kitaträger beteiligt, die insgesamt 251 Kitas im Land Berlin betreiben. Die 251 Kitas bieten 25.184 Plätze an. Diese entsprechen 14% aller angebotenen Plätze im Land Berlin.

Die folgenden drei Kernaussagen zeichnen damit stellvertretend ein aktuelles Bild der Kita-Landschaft in Berlin.

1. Viele Plätze liegen brach, weil Fachkräfte fehlen

In der Befragung gaben die Träger an, dass für die belegten und damit angebotenen Plätze ca. 97 % des notwendigen Personals vorhanden sind, was einen guten Wert darstellt. Zwischen diesen wirklich verfügbaren Plätzen (22.824) und den betriebserlaubten Plätzen (25.184) klafft jedoch eine Lücke von 2.360 Plätzen. Das bedeutet, dass fast 10 % der baulich vorhandenen Kita-Plätze den Familien nicht zur Verfügung stehen. Die Kita-Träger würden diese Plätze gern anbieten, können es jedoch nicht, da allein für 72 % dieser Plätze das notwendige Personal fehlt. Nur ganze 4 % der nicht belegten Plätze resultieren aus freien Vakanzen.
Um den errechneten Platzbedarf für 2028 (KEP Land Berlin) von ca. 196.000 Plätzen zu erreichen, muss also deutlich mehr Personal gewonnen werden, als vom Senat berechnet: aktuell betreuen zum KEP-Stichtag 28.589 ISBJ-/VZÄ-Fachkräfte 167.623 belegte Kita-Plätze (von rund 198.000 betriebserlaubten). Dies entspricht einem IST-Personalschlüssel von 5,86 Kindern pro ISBJ-/VZÄ-Fachkraft. Um 196.000 Kita-Plätze mit demselben Personalschlüssel betreuen zu können, werden bis 2028 33.447 ISBJ-/VZÄ-Fachkräfte benötigt. Somit fehlen rechnerisch 4.860 ISBJ-/VZÄ-Fachkräfte.

2. Die Fachkräftegewinnung wird immer herausfordernder

Die Träger gaben an, dass im ersten Beschäftigungsjahr jede*r fünfte Mitarbeiter*in (19,6%) den Träger wieder verlässt. Das hat zur Folge, dass immer wieder neue Mitarbeiter*innen eingearbeitet werden müssen, Teamstrukturen sich verändern, Ansprechpartner*innen für die Eltern wechseln, Dokumentationen liegen bleiben, Projektentwicklungen zum Stillstand kommen. Über die Gründe können wir nur mutmaßen: Sicherlich spielen die nicht immer besten Arbeitsbedingungen durch fehlendes Personal, die hohe Konkurrenz zwischen den Trägern, die unterschiedliche Vergütung bei öffentlichen und freien Trägern, eine nicht immer gelungenen Bindung zu Träger und Team oder abgebrochene Ausbildungen eine Rolle. Die Kita-Träger stehen aber auch in Konkurrenz mit vielen pädagogischen Handlungsfeldern in Schule, den Hilfen zur Erziehung und stationären Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe, die ebenfalls um Fachkräfte ringen. Darüber hinaus entscheiden sich Menschen aus unterschiedlichen Gründen, den pädagogischen Beruf grundsätzlich zu verlassen.

Laut Befragung bleiben offene Stellen im Durchschnitt drei Monate nicht besetzt, an bestimmten Standorten bis zu sieben Monaten.
Gleichzeitig benötigen wir immer mehr Menschen im System Kita. Nur knapp 1/3 der Mitarbeiter*innen bei den freien Trägern arbeiten in Vollzeit, entsprechend über 2/3 in Teilzeit, um die Vereinbarkeit von Freizeit, Familie und Beruf zu ermöglichen. Zusätzlich werden immer flexiblere Arbeitszeitmodelle angefragt, die Kita nicht immer bieten kann.

Nur noch 71% der pädagogischen Mitarbeiter*innen in den Kita-Einrichtungen sind vollständig anerkannte pädagogische Fachkräfte, 14 % befinden sich in Ausbildung und 10 % sind Quereinsteiger*innen. Hier wird deutlich, dass ohne Ausbildung und Quereinstieg das System längst kollabiert wäre.
Darüber hinaus werden wir in den kommenden fünf Jahren ca. 10 % der pädagogischen Fachkräfte ersetzen müssen, die in den Ruhestand treten.

3. Das Kitasystem erreicht seine Belastungsgrenze (ist am Limit)

Damit kommt es zum Qualitätsverlust in der frühkindlichen Bildung.
Neben der Bewältigung des Fachkräftemangels stehen die Kita-Träger vor weiteren Herausforderungen, die den Betreuungsalltag stark belasten. Zum Stichtag waren 16 % aller Mitarbeiter*innen erkrankt und fehlten im Betreuungskontext. Um diese Lücke zu schließen, mussten und müssen freie Träger verstärkt auf Leasingkräfte zurückgreifen. 90 % aller befragten Träger gaben an, mit externen Mitarbeiter*innen zusammenzuarbeiten, da ihre trägerinterne Springerkräfte bereits eingesetzt wären und längst nicht mehr alle Vakanzen ausgleichen können. Der Fachkräftemangel lässt das „Geschäft“ mit den Leasingkräften florieren. Inzwischen belaufen sich die Kosten auf 40 Euro pro Stunde. Wir müssen aufpassen, dass nicht wie in der Pflege ein „Parallelmarkt“ für Fachkräfte entsteht.

Addiert man Krankheit, Urlaub und Fortbildung hinzu, fehlen mindestens 20% der Mitarbeiter*innen im Kitaalltag. Hinzu kommen kurzfristige Beschäftigungsverbote. Personalengpässe bedeuten eine Einschränkung der pädagogischen Angebote. 3/4 aller Kita-Träger mussten sogar Öffnungszeiten in Einrichtungen kürzen.

Hier finden Sie eine Übersicht der Auswertung

Fazit

Die Umfrage hat Erkenntnisse geliefert, die wir in den konstruktiven Dialog einbringen wollen. So stellen wir insbesondere in Frage, dass die im KEP als belegbar angenommenen angebotenen Plätze tatsächlich mit den aktuellen Fachkräften belegbar sind. Unsere Bündnis-interne Umfrage ergibt wie oben dargestellt ein anderes Bild. Aber natürlich geht es nicht nur ums Geld. Im Kern muss es uns darum gehen, im Schulterschluss an einer auskömmlichen Personalausstattung in den Kitas zu arbeiten. Wir haben dazu hier Vorschläge unterbreitet (interner Link), Auszüge davon sind:
  • Leichtere Zugang für qualifiziertes Personal nichtdeutscher Sprache
  • Kosten für Vertretung (durch Krankheit), Fortbildung müssen in der Trägerberechnung (Entgelt) mehr Berücksichtigung finden
  • Multiprofessionelle Teams
  • Kampagne zur Aufwertung des Berufes
  • Stärkung der Anerkennung von Sozialassistenzen oder Erzieherhelfer*innen im Kita-System
  • Keine Anrechnung der Berufsbegleiter*innen

Dafür steht das Trägerbündnis Kita-Stimme.berlin ein.
Weiterhin sehen wir es mit Blick auf den immer noch vorhandenen Platzausbaubedarf als sehr wichtig an, dass Bildungssenat, Verwaltung und die Trägerlandschaft gemeinsam für ausreichende Förderkontingente einstehen. Die heruntergefahrenen Förderkulissen und der vorgelegte erwecken den Anschein, dass die Ausbaubestrebungen der freien Träger eingestellt werden sollen.

Zum Umfrage-Artikel geht es hier: