Dem Kita-Fachkräftemangel wirksam begegnen.

Der Fachkräftemangel in Kitas stellt öffentliche und freie Träger in Deutschland seit Jahren vor zunehmende Probleme. Es ist schwierig geworden, Menschen für eine berufliche Zukunft in der Kindertagesbetreuung zu begeistern – auch in Berlin. Aktuelle Untersuchungen wie der Bertelsmann Ländermonitor zeigen, wie brisant das Thema in Zukunft bleibt: Schon jetzt fehlen in der Hauptstadt knapp 4.000 Fachkräfte, um den Betreuungsbedarf zu decken und den Kita-Ausbau voranzutreiben. Unser Qualitätsanspruch, jedes Kind in unseren Einrichtungen individuell entlang seiner persönlichen Interessen zu fördern, lässt sich langfristig nur mit qualifiziertem Personal und einem besseren Personalschlüssel umsetzen. Aber wir müssen jetzt eine Übergangsphase einleiten, um gemeinsam mit Senat und Verwaltung den Betreuungsbetrieb sicherzustellen.

Eine Arbeitsgruppe unseres Trägerbündnisses Kita-Stimme.berlin hat ein Dossier mit Strategie-Bausteinen zur Sicherstellung des Betreuungsbetriebs erarbeitet. Hierin werden Lösungsansätze beschrieben, wie dem Fachkräftemangel aus Träger-Sicht wirksam entgegengetreten werden kann. Im Langtext des Papiers unterscheiden wir zwischen kurzfristig sowie mittel- und langfristig wirksamen Maßnahmen mit dem Ziel, mehr Menschen für eine berufliche Zukunft in der Kindertagesbetreuung zu begeistern. In Kurzfassung sind dies:

Sofort-Effekt: Betreuung sicherstellen

1. Notfallpläne bezirksübergreifend einheitlich behandeln
Fast alle Berliner Kita-Träger haben in der Pandemie Erfahrung im Management solcher Akut-Situationen sammeln können. Sie haben mehrstufige, praktikable und mit den Eltern abgestimmte Notfallpläne entwickelt.

2. Personalschlüssel dem realen Bedarf anpassen
Rechnet man Urlaub und Fortbildung hinzu, fällt jeder Mitarbeitende an 60 Tagen im Jahr aus, über ein Viertel der Jahresarbeitszeit. Die Kita-Stimme.berlin wird deshalb 18.09. bis 06.10.2023 eine Umfrage unter Berliner Trägern durchführen, damit wir die aktuelle Berücksichtigung solcher Ausfallzeiten im Personalschlüssel einmal einem Realitätscheck unterziehen.

3. Entlastung der pädagogischen Fachkräfte von anderen Aufgaben
Trotz des allgegenwärtigen Fachkräftemangels wird die Verwaltungsarbeit in den meisten Berliner Kitas von den bereits überstrapazierten pädagogischen Teams oder der Leitung nebenher erledigt.

4. Supervisionen für alle Träger ermöglichen
Die Ansprüche an die Bildungsarbeit, die unsere Teams in den Berliner Kitas leisten, sind gestiegen. Deswegen müssen unsere Fachkräfte durch Fachberatung und Coachings unterstützt werden.

Mittelfristiger Effekt: Hürden beim Berufszugang abbauen

1. Attraktivität der Ausbildung für Kita-Teams erhöhen
Wir müssen viel mehr Kita-Teams überzeugen, neue Auszubildende in ihren Teams willkommen zu heißen. Dahingehend müssen Strukturen geschaffen werden.

2. Attraktivität der Ausbildung für Studierende erhöhen
Unsere Erfahrungen zeigen, dass sich Studierende besonders dafür interessieren, in den Kitas praktisch wirksam zu werden. Damit sie ihre Projekte in Kitas auch umsetzen können, müssen wir dafür sorgen, dass die theoretische Ausbildung gut mit den Lernorten in der Praxis verzahnt sind.

3. Mentorinnen und Mentoren etablieren
Über ein etabliertes Mentoren-System ließen sich weitere positive Nebeneffekte erzielen: Die Abbrecherquote unter den Studierenden von Fachschulen würde reduziert. Und für Kita-Fachkräfte würde eine interessante Entwicklungsperspektive geschaffen.

4. Mehr Qualifizierungsplätze und Karriereoptionen für Quereinsteigende schaffen
Quereinsteiger brauchen darüber hinaus echte Karriereoptionen. Beruflich aufsteigen können sie gegenwärtig nur, wenn sie die herkömmliche Erzieherausbildung absolvieren – eine ziemlich unrealistische Option für Menschen, die bereits im Berufsleben angekommen sind.

5. Ausländische Berufsabschlüsse und Sprachkenntnisse einfacher anerkennen
Vor allem das derzeit geforderte Sprachniveau C1 ist für viele nicht zu schaffen und wird von vielen unserer Träger kritisch gesehen. Zweitsprachen sind in einer kosmopolitischen Stadt wie Berlin aus unserer Sicht ein Plus.

Langfristiger Effekt: Mehr Menschen begeistern

1. Themenspezifische Fachkarrieren ermöglichen
Fachqualifikationen wie Mentorin für Auszubildende, Medienpädagoge oder MINT-Fachkraft, Naturpädagogin oder Sprach- und Integrations-Fachkraft würden neue berufliche Perspektiven eröffnen und das Berufsbild für viele junge Menschen attraktiver machen. Dafür muss die qualifikationsbezogene Bezahlung einfacher werden.

2. Mit einer Kampagne Menschen für den Beruf begeistern
Wie sinnstiftend es ist, mit Kindern spielerisch ihre Möglichkeiten auszuloten und zu entwickeln, gerät aus dem Blickfeld. Deshalb brauchen wir dringend eine berlinweite Kampagne für den Erzieherinnen- und Erzieherberuf.

Der Fachkräftemangel im Berliner Kita-System wird sich sicherlich nicht von heute auf morgen beheben lassen. Wir halten es deswegen für wichtig, pragmatisch und schnell umzusetzen, was derzeit schon möglich ist. Dabei belassen können wir es allerdings nicht.

Uns ist klar, dass das Geld kostet. Doch der Preis, den unsere Gesellschaft für’s Nichtstun zahlen müsste wäre ungleich höher. Packen wir es gemeinsam an – damit sich Kita-Fachkräfte wieder auf die schönste Seite ihres Jobs konzentrieren können: Kindern den bestmöglichen Start ins Leben zu ermöglichen.

Hier geht es zum Download der Langfassung des Dossiers.

15. September 2023
Kita-stimme.berlin