Presserückblick KW 46/2023

Tarifkonflikt 2.0: Stuttgart hat erfolglos versucht, die Warnstreiks von Verdi vor Gericht zu stoppen. Verbände drängen auf bundesweite Qualitätsstandards in der frühkindlichen Bildung.

In dieser Woche sind die Kita-Beschäftigten in ihrem Tarifstreit noch kein bisschen weitergekommen. Deswegen traten in Berlin und anderen Großstädten Kita-Beschäftigte wieder zum eintägigen Warnstreik an. In Berlin könnte jeder vierte Kita-Platz in landeseigenen Betrieben betroffen sein. Zur Erinnerung: Es geht um mindestens 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro mehr pro Monat.
(Tagesspiegel)

Bevor es in die dritte Verhandlungsrunde geht, die vom 7. bis 9. Dezember angesetzt ist, erklärt Erzieherin Rosi im Video-Interview, warum sie trotz Fachkräftemangel und Stress Kinder individuell fördert und warum sie in der GEW engagiert ist.
www.gew.de/dein-kind-zu-foerdern-ist-mir-eine-herzenssache

In Berlin bauen die Erzieherinnen über die Warnstreiks hinaus zusätzlich politischen Druck auf. Weil sie im politischen Handeln keine substanzielle Trendwende erkennen können, haben 2600 Erzieher und Pädagoginnen eine Gefährdungsanzeige unterschrieben, die in dieser Woche an Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch übergeben wurde. Günther-Wünschs Staatssekretär Falko Liecke wies die Aktion als „reine Symbolpolitik“ zurück. Doch die Fachkräfte schlagen Alarm, weil die Notlage zum Dauerzustand wird: Sie müssen aus Personalnot viele Programme zusammenstreichen. Oft betreuten nur zwei Pädagoginnen eine Gruppe mit 24 Kindern, für die eigentlich vier Erzieher vorgesehen sind, mitunter betreut sogar nur eine Fachkraft 24 Kinder.
(Tagesspiegel)

Zitat der Woche I
„Wir wollen Bildung, aber da wo wir angekommen sind, ist es nur noch Aufbewahrung. Die Eltern sind überfordert, die Fachkräfte sind überfordert und die Kinder spüren es“.
Ulrike Schulz, pädagogische Fachkraft bei den Kita-Eigenbetrieben Berlin/ taz 15.11.

Zitat der Woche II
„Ich bin ärgerlich, nicht auf die Kita, sondern auf das System“
(Eine Berliner Mutter über die Kita ihres Sohnes, taz 15.11.)

Legal Affairs
In der Schwabenmetropole Stuttgart hatten die Kommunalen Arbeitgeberverbände Baden-Württemberg (KAV) versucht, eine Einstweilige Verfügung gegen den Warnstreik durchzusetzen. Dies hat das Arbeitsgericht jedoch abgelehnt. 115 Kitas blieben zu. Über 2500 städtische Beschäftigte haben die Arbeit niedergelegt.
tagesschau.de

Der Notstand in den Kitas ist gut dokumentiert und lässt sich an manch einer Zahl gut ablesen. Zum Beispiel an dieser hier:

Zahl der Woche
In bundesweit mindestens 26 731 Fällen informierten Kitas im vergangenen Kitajahr die Aufsichtsbehörden, dass zu wenige Erzieherinnen zur Arbeit kamen und damit das Kindeswohl formal als gefährdet galt.
correctiv.org

Das System kollabiert jeden Tag ein bisschen mehr, schreibt Autorin Miriam Lenz vom Recherchekollektiv Correctiv. Die Journalistin macht den täglichen Kampf von Eltern und Kita-Personal erfahrbar und dokumentiert das Systemversagen auf anschauliche Weise. Eine wichtige Reportage, die unter die Haut geht.
correctiv.org

Pädagogische Fachkräfte aus dem Ausland können helfen, die Fachkräfte-Notlage in den Kitas zu lindern. Die Bundesländer gehen mit möglichen Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse unterschiedlich um. Bayerns Arbeitsministerin Ulrike Scharf begründet im Kontrovers-Interview des Bayrischen Rundfunks, warum sie an aufwändigen Nachqualifikationen festhält. In Hessen kann die notwendige Anerkennung auch in der Kita-Praxis erworben werden.
br.de

Doch mehr Betreuung heißt nicht automatisch mehr Qualität. Die Debatte, welche Standards eine qualitativ hochwertige Bildung erfüllen sollte, geht weiter.

Die Sorge um Qualitätsverwässerung treibt beispielsweise ein breites Bündnis aus Verbänden wie dem Bildungsverband VBE und der Bundeselternvertretung BEVKi an. Fachkräfte seien der Schlüssel für gute Bildung in den Kitas, es geht darum, Kinder schon früh individuell zu fördern. Die Verbände fordern deswegen vorsorglich hohe bundesweite Qualitätsstandards im von der Ampel noch zu zimmernden Qualitätsentwicklungsgesetz. Kleinere Gruppengrößen, Ausbildungsoffensiven und ausreichende Finanzierung für frühkindliche Bildung stehen auf der Agenda. Das Bündnis wünscht sich, als Stimme der Praxis in den Gesetzgebungsprozess mit einbezogen zu werden.
news4teachers.de

Wie beurteilen Menschen, die tagtäglich damit zu tun haben, unser Bildungssystem? Dazu hat der Cornelsen Verlag in dieser Woche die Ergebnisse der Umfrage „Cornelsen Bildungsindex“ veröffentlicht, der erstmals erscheint. Defizite sehen die Befragten vor allem beim Thema Chancengleichheit und Personalausstattung: Fast zwei Drittel stufen die Situation als unzureichend ein. Erhoben werden die Daten vom Berliner Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS). Die Mehrheit spricht sich demnach für mehr Investitionen in die frühkindliche Bildung aus, weil diese den Grundstein für alles weitere lege.

Mit Humor lässt sich vieles besser meistern, auch die Kitakrise, oder?
Abschalten und einmal irr, aber erleichternd auflachen können wir mit dem folgenden ZDF-Angebot:

Video-Tipp
Oliver Welke widmet sich in der Wochenshow diesmal auch der Kitakrise und spielt den Zuschauern zum Beispiel den Sound eines genervten Kleinkindes vor, das zuhause bleiben muss, weil die Kita zu hat.
Vollkitastrophe bei Welke.de (etwa ab Minute 20)

Bleiben Sie heiter und machen Sie weiter!

Ihre Kita-Stimme.berlin