Endloser Klärungsbedarf nach monatelanger Diskussion? Die Kindergrundsicherung für armutsbelastete Familien droht zu scheitern bevor sie in überhaupt in Kraft tritt.
Bremsklotz FDP
Die unendliche Verhinderungstaktik der FDP bei der Kindergrundsicherung führt in der aktuellen Ausgabe der „Zeit“ zu einem Wutausbruch der Autorin Marlen Hobrack. Vor allem die Begründung der angeblichen bürokratischen Mehrkosten der Neuerung, mit der anspruchsberechtigte Familien alle Leistungen gebündelt an einer einzigen Stelle beantragen könnten, erscheint der Autorin „zynisch“. Der bürokratische Irrsinn, der derzeit von Armut belasteten Familien aufgebürdet werde, sei eine „gesetzliche implementierte Abschreckungsstrategie für potenzielle Antragsteller“, der dazu beitrage, dass die Kosten für soziale Sicherung gedrückt werden könnten.
zeit.de
Ob das beabsichtigt ist oder nicht – die Folgen dieser Politik lassen sich an einer Antwort des Familienministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag ablesen:
Zahl der Woche I
Lediglich 35 Prozent der Anspruchsberechtigten beantragen den Kinderzuschlag.
zeit.de
Besonders von Armut betroffen sind Kinder von Familien mit nur einem Elternteil, 30 Prozent aller Familien sind das beispielsweise in Berlin. Am wichtigsten für gestresste Alleinerziehende sei es eine „flexible Kinderbetreuung anzubieten“, sagt Anett Dubsky von der Landeskoordinierungsstelle Alleinerziehende in Berlin. Dubsky fordert vom Senat mehr Geld für die Bezirke damit die Kitas länger geöffnet haben können. Lichtenberg zum Beispiel benötige 250 000 Euro, Mitte 100 000 Euro.
(Tagesspiegel)
Ungelöst ist weiter das drängende Problem von Kitaplätzen für Kinder unter drei Jahren. Laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fehlen inzwischen fast 300 000 Plätze für die ganz Kleinen.
deutschlandfunk.de
Zahl der Woche II
Mehr als 80 Prozent der Eltern wünschen sich einen Betreuungsplatz für ihre Zweijährigen – die Betreuungsquote lieget aber nur bei gut 66 Prozent.
deutschlandfunk.de
Forschung
Öffentliche Kinderbetreuung führt dazu, dass Frauen nach der Geburt schneller in den Beruf zurückkehren. Zu diesem Ergebnis kommen Ökonominnen der Unis in Potsdam und Passau. Sie analysierten die Daten von Müttern in Westdeutschland zwischen 2005 und 2019. Dabei kam heraus, dass in Regionen, die das Angebot an Kitaplätzen schneller ausgebaut haben, die Erwerbstätigenquote von Müttern zwei Jahre nach der Geburt um 5,5 Prozentpunkte höher liegt als in Regionen mit geringerem Ausbau. Allerdings kehrten die meisten Mütter nur in Teilzeit in den Job zurück. Karrieresprünge blieben meist aus.
bildungsklick.de
Anne Theiss, Journalistin und berufstätige Mutter hat mit „Die Abwertung der Mütter“ ein wütendes Buch über die Situation berufstätiger Frauen geschrieben. Dass veraltete Rollenbild, das die Kinderbetreuung ins Private verlagert habe, statt es als Gemeinschaftsaufgabe zu sehen, sei mit daran schuld, dass es im ganzen Land (vor allem im Westen/d.Red.) keine ausreichende qualitativ gute Fremdbetreuung gebe. Die Autorin empfiehlt einen Blick nach Frankreich, wo unter anderem auch eine verpflichtende sechsmonatige Elternzeit für Väter echte Gleichberechtigung schaffe.
(Super Illu)
Idee der Woche
Weil in Berlin Schönefeld noch hunderte Familien auf einen Kitaplatz für ihre Kinder warten will die Gemeinde nun ein seit Corona leerstehendes Bürogebäude bis Sommer 2024 zu einer Kita mit 168 Plätzen umbauen. Die Verhandlungen mit dem Eigentümer sind vertragsreif fortgeschritten. Die Gemeinde will das Gebäude für mindestens 20 Jahre mieten.
(Märkische Allgemeine)
Wo neue Kitas entstehen, werden an anderer Stelle funktionierende Kitas aus ökonomischen Interessen verdrängt – wie die Kita Känguru in Prenzlauer Berg. Weil Kinderläden private Einrichtungen sind, genießen sie weniger Mieterschutz. Will ein Vermieter eine Kita loswerden treibt er einfach die Miete in die Höhe. Allein seit Ende 2022 sind 20 Einrichtungen in Berlin von dieser Art von Verdrängung bedroht.
(Tageszeitung)
Bleiben wir in Berlin und hören wir einer versierten Fachkraft zu:
Lese-Tipp I
Was der Berliner Kita-Navigator leisten kann, und was nicht. Warum Eltern ab dem dritten Lebensmonat bereits Kontakt mit der Wunsch-Kita aufnehmen sollten. Und wie Kitas mit Mentoring-Programmen die Ausbildung von Nachwuchs-Fachkräften stemmen. Ein Interview mit Katrin Gralla-Hoffmann, pädagogische Geschäftsleiterin der landeseigenen Kindertagesstätten Nordwest.
tip-berlin.de
Die praxisintegrierte Erzieherinnen-Ausbildung für Neulinge und Quereinsteigerinnen bewährt sich übrigens in immer mehr Bundesländern. Als klarer Vorteil wird gewertet, dass pädagogische Fachkräfte in spe von Anfang an mit einer Kita verbunden sind und von Anfang an eine Ausbildungsvergütung in Höhe von etwas 1200 Euro erhalten.
(Hamburger Abendblatt)
Lese-Tipp II
Warum sind Gesellschaftsspiele für Kinder wichtig und warum sollten Eltern sie dabei nicht immer gewinnen lassen? „Verlieren lernen“, heißt eine der Antworten.
eltern.de
Um die spielerische frühkindliche Bildung im naturwissenschaftlichen Bereich MINT kümmert sich von Berlin aus bekanntlich die Stiftung Kinder forschen. Die wird nun bald einen neuen Chef bekommen:
Personalie der Woche
Tobias Ernst, derzeit CEO der Kitron Open Higher Education gGmbH wird neuer Vorstandsvorsitzender der Stiftung Kinder forschen in Berlin, die sich der MINT-Bildung von Kindern ab dem Kita-Alter widmet. Ernst übernimmt das Amt am 1. März 2024 von Michael Fritz, der das Amt nach zehnjähriger Amtszeit auf eigenen Wunsch aufgibt.
Eine bunte Mischung war es diesmal, hoffentlich mit inspirierenden Ideen. Bleiben Sie dran!
Ihre Kita-Stimme.berlin