Wann genau fließen denn eigentlich die vier Milliarden Euro (in zwei Jahren) aus dem Kita-Qualitätsgesetz?
Na ja – sofort, unverzüglich. Denn Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat mit Sachsen-Anhalt in dieser Woche den letzten von 16 Bund-Länder-Verträgen abgeschlossen. Das Geld kann nun also überwiesen werden.
Die Ministerin versichert, die Länder wollten 80 Prozent des Geldes in die Qualitätsentwicklung stecken. Vorher sei das nur ein Drittel gewesen. Gemeint ist damit unter anderem ein besserer Personalschlüssel Fachkraft-Kind oder das derzeit heißeste Thema Fachkräftegewinnung. Die Länder sollen im Gegenzug an der Beitragsentlastung für Eltern sparen – jedenfalls derjenigen Eltern, die sich die Kita-Gebühren leisten können.
Tagesspiegel
Dass der Personalmangel in Kitas nach wie vor eines der drängendsten Probleme ist, zeigt der Befund einer aktuellen Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung:
Zahl der Woche
57 Prozent von 5000 befragten Eltern waren in diesem Frühjahr mit Kita-Schließungen oder Einschränkungen der Betreuungszeiten konfrontiert.
Hans-Böckler-Stiftung/Tagesspiegel
Diese alarmierenden Zahlen kommentiert Thoralf Cleven in der „Leipziger Volkszeitung“ unter der Überschrift „Gefährlicher Rückschritt“. In der Kita sei es wie in der Pflege: Viel Verantwortung, beklagenswerte Bezahlung. Die Folge: Erzieherinnen hätten den höchsten Krankenstand aller Berufsgruppen.
Leipziger Volkszeitung
Angesichts der gut dokumentierten Personalnot in Kitas meldet sich nun auch der Bundeselternrat zu Wort. Die mit dem Personalmangel verbundenen Einschränkungen in der Betreuung führten zu einer Überlastung von Müttern und Vätern. Es drohe eine Burnout-Welle. Der Bundeselternrat befürwortet das Modell, nicht-pädagogisch ausgebildete Laien zu qualifizieren. Bundesländer, die das bereits umsetzen, könnten den Personalmangel besser auffangen.
zdf.de
Zitat der Woche:
„Wir müssen zwingend die Gewinnung von Fachkräften vorantreiben, geeignete pädagogische Laien qualifizieren und Bestandspersonal fortlaufend weiterbilden.“
Bundeselternrats-Vorsitzende Christiane Gotte, zdf.de
In NRW beispielweise entlasten Alltagshelfer das pädagogische Fachpersonal in den Kitas. Doch die Träger bemängeln die verspäteten Förderzusagen des Landes, die aktuell dazu führen, dass Alltagshelferinnen in andere Jobs abwandern, weil Träger ihnen nicht rechtzeitig die Verlängerung ihres Jobs zusagen können. Das ist besonders bedauerlich, weil Alltagshilfskräfte sich mitunter auch für eine Ausbildung als Erzieherin entscheiden und damit verloren gehen. Bislang hat NRW die Hilfskräfte voll finanziert, inzwischen müssen die Träger zehn Prozent der Kosten beisteuern.
Express
Die Arbeitsbedingungen in Erziehungsberufen müssten dringend verbessert werden, sonst drohe eine „sich selbst verstärkende Spirale nach unten“, analysiert Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin am Wirtschafts- und Sozialpolitischen Institut der Hans-Böckler-Stiftung (WSI). Erzieherinnen und Erzieher verließen den Job, den sie liebten, aufgrund der konkreten Umstände. Sie hielten den Stress bei mäßiger Bezahlung auf Dauer nicht aus.
bildungsklick.de
Wir lassen die Woche ausklingen mit einem etwas anderen Blick auf die vieldiskutierte Betreuungskrise in Kitas und die Folgen für die Erwerbstätigkeit der Eltern:
Inspiration der Woche
Meredith Haaf und Rainer Stadler werfen in der „Süddeutschen Zeitung“ einen kritischen Blick auf das geläufige Argument, eine gute Kita-Betreuung könne helfen, den Fachkräftemangel in anderen Branchen zu beheben. Die Kitas sollten vor allem den Familien nützen und nicht der Wirtschaft, schreiben die Autoren. Der Druck auf die Familien habe sich mit der Kita-Offensive stattdessen weiter erhöht. Der Rechtsanspruch auf Betreuung auch für die Kleinsten hätte bei den Arbeitgebern den Anspruch verschärft, Eltern sollten schnell und umfassend wieder zur Verfügung stehen. Ihr Vorschlag: Die Zeit, die bei Eltern und in Kitas fehle müsse aus der Arbeitswelt kommen, wo sie derzeit „in üppigen Mengen“ hinfließe. Konkret hieße das: Die Vollzeit müsse kürzer werden oder die Teilzeit attraktiver und lukrativer. Außerdem müsse die Sorgearbeit in Familien grundsätzlich bezahlt werden.
Hier geht es zu der fundierten und lesenswerten Analyse auf sueddeutsche.de (paid).
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Ein sonniges Sommerwochenende wünscht
Ihre Kita-Stimme.berlin