Presserückblick KW 28

Fair bleiben ist immer eine gute Lösung. Und wer dem Fachkräftemangel beim Kita-Personal zu Leibe rücken will, muss natürlich auch für eine faire Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher sorgen. Immerhin haben sich die 2,5 Millionen im Sozialbereich Beschäftigten der öffentlichen Hand kürzlich höhere Gehälter erstritten.

Viele freie Träger übernehmen den TVöD-Abschluss in ihre Haustarifvereinbarungen – so sie es sich leisten können. Für viele kleinere Träger jedoch wird es zur Existenzfrage. Bund, Länder und Kommunen hinken nämlich hinterher, wenn es um die vollständige Refinanzierung von Gehaltserhöhungen bei freien Trägern geht. Diese ärgerliche Ungleichbehandlung sorgt immer wieder für Unmut.

Zoff, Zoff, Zoff

So warnstreikten zum Beispiel diese Woche die Erzieherinnen der Arbeiterwohlfahrt in Berlin. Die AWO betreibt in Berlin immerhin 51 Kitas. Die Beschäftigten wollen endlich das gleiche Geld für ihre Arbeit erhalten wie ihre Kollegen bei den Kita-Trägern der öffentlichen Hand. Das Land Berlin solle endlich dafür sorgen, dass die Erzieherinnen bei den freien Trägern ebenfalls das gleiche Geld bekommen und die Gehälter vom Land endlich vollständig refinanziert werden.
perspektive-online.net

Unterstützt werden sie dabei auch von der Bildungsgewerkschaft GEW, die seit Jahren fordert, die Ungleichbehandlung der freien Träger solle abgeschafft werden. Stefan Spieker, Geschäftsführer des freien Trägers Fröbel und Mitglied in unserem Aktions-Bündnis Kita-Stimme.berlin liefert dazu das

Zitat der Woche

„Die gleiche Vergütung und Refinanzierung von öffentlichen und freien Trägern ist dringend geboten und unerlässlich (…) Die Politik ist dringend gefordert, Klarheit und zukunftsfähige Rahmenbedingungen zu schaffen, bevor das Kitasystem noch stärker beschädigt wird.“
(Stefan Spieker, Geschäftsführer der Fröbel-Gruppe, Pressemitteilung)

Weiterhin Dauerthema bleibt auch der allgemeine Fachkräftemangel. Wie viele Erzieherinnen fehlen in Berlin?
Die Senatsverwaltung meint, es stünden ausreichend Fachkräfte zur Verfügung. Die Kita-Träger sehen das jedoch anders.
Bei einem Treffen der Kita-Stimme.berlin mit Falko Liecke, dem neuen Berliner Staatssekretär für Jugend und Familie (CDU) und Vertretern der Senatsverwaltung, stellte sich heraus, dass die alte, neue Meinungsverschiedenheit auf der Agenda bleibt. Zum Gespräch mit Falko Liecke >>> hier entlang.

Bundesweit bleibt das Thema Fachkräftemangel ebenfalls virulent.

Zahlen der Woche

I Eine Umfrage des Deutschen Kitaverbands förderte zutage, dass mehr als zwei Drittel der freien Träger (69 Prozent) ihre Öffnungszeiten deswegen teilweise reduzieren musste, und mehr als die Hälfte Aktivitäten wie Ausflüge einschränken musste. Die Situation verschärfe sich ständig, der Personalmangel in Kitas untergrabe den Betreuungsauftrag.
(epd)

II Bundesweit werden 92 Prozent aller Kinder über drei Jahre inzwischen in Kitas betreut. Doch vor allem bei den kleineren unter drei Jahren klafft weiter eine Betreuungslücke: 49,1 Prozent der Eltern wünschten sich einen Kita-Platz, doch die Betreuungsquote lag hier nur bei 35,5 Prozent. Das sind offizielle Zahlen aus einer Umfrage des Familienministeriums unter 35 000 Eltern.
(dpa)

Weiter auf der Agenda bleibt das Thema Chancengleichheit in der frühen Bildung und damit die Zukunft der Sprachförderung in den Kitas. Welt-Autorin Sabine Menkens hat sich angeschaut, wie es in den Bundesländern nach dem Auslaufen der Bundesförderung aussieht. Die gute Nachricht: Die meisten Länder wollen weiter in die Sprachförderung investieren. Allerdings nicht alle, und auch nicht alle mit den bislang aufgebauten Strukturen. Bei der Sprachförderung drohe bundesweit föderale Kakophonie. Berlin macht’s gut und setzt das Sprachförder-Programm sogar 1:1 fort.
(Die Welt)

Oft kommen ja gerade diejenigen Kinder nicht in die Kita, die am dringendsten eine Sprachförderung bräuchten. Und so macht sich nicht nur Berlin Gedanken, wie ein Pflichtjahr, das sogenannte Kita-Chancenjahr, in Zukunft umgesetzt werden kann. Der bundesweite Bürgerrat Bildung und Lernen hat jetzt die Frage aufgeworfen und kontrovers diskutiert, ob nicht sogar zwei verpflichtende Kita-Jahre besser wären. Zu den kompletten Empfehlungen des Bürgerrats >>> hier entlang.

Machen wir noch einen kleinen Ausflug in die Welt des Rechts, in dem es darum geht, politische Extremisten aus der Kinderbetreuung fernzuhalten – ein heikles Thema, das man – mit etwas anderen Vorzeichen – als Radikalenerlass aus der 68er-Zeit kennt. Doch wer will, dass seine Kinder mit faschistoidem Gedankengut indoktriniert werden?

Legal Affairs

Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin führt in Mecklenburg-Vorpommern nun zu einer Änderung des Kita-Gesetzes. Das Gericht hatte entschieden, dass einer Tagesmutter mit Verbindungen zur rechten Szene die Berufserlaubnis nicht verweigert werden darf – weil es dafür keine rechtliche Grundlage fand. Dass soll sich nun ändern. Auf Antrag der Grünen soll nun klar geregelt werden, dass Extremisten nicht in der Kindertagespflege arbeiten dürfen. Tagesmütter und -väter müssen auf dem Boden der demokratischen Grundordnung stehen müssen, wenn sie den Beruf ausüben wollen.
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In diesem Zusammenhang fällt uns der Philosoph Karl Popper und seine Gedanken zum Paradoxon der Toleranz ein. Popper sagte: „Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“

Mit diesem Gedanken verabschieden wir uns in ein sonniges Sommerwochenende.

Ihre Kita-Stimme.berlin