Deutsch oder Nicht-Deutsch, das ist hier die Frage: Fremdsprachige Erzieherinnen in deutschen Kitas.
Der Presserückblick aus Kalenderwoche 27:
Deutsch oder Nicht-Deutsch, das ist hier die Frage: Kontrovers diskutiert wird derzeit landauf, landab der Vorschlag von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), geflüchtete oder zugewanderte Erzieherinnen schneller in den deutschen Arbeitsalltag zu integrieren, um den Fachkräftemangel in Kitas zu beheben. Ist’s gut, ist‘s schlecht? – darüber gibt’s quer durch Politik und Wissenschaft keine Einigkeit.
Nun hat auch die FDP-Fraktion im Bundestag in einem Positionspapier zum Erzieherinnen-Mangel vorgeschlagen, eingewanderte pädagogische Fachkräfte einzusetzen, die noch kaum Deutsch sprechen und Erzieherinnen im Ausland sogar gezielt anzuwerben. Fachpolitiker von SPD und Grünen und CDU begrüßen den Vorschlag. Vor allem in Großstädten, wo viele Kinder mit Migrationsgeschichte in die Kitas kommen, könnten die vorhandenen Fachkräfte dadurch entlastet werden, so die Überlegung. Eine Bildungsforscherin der Bertelsmann-Stiftung hält den Vorschlag dagegen für „realitätsfremd“.
tagesspiegel.de
„Ein absurde Maßnahme gegen den Personalmangel“ sei das, mischt sich ein konservatives Meinungsmagazin in die Debatte ein.
tichyseinblick.de
Ein weiterer Vorschlag zur Linderung der akuten Notlage bei Kita-Fachkräften – nämlich auf multiprofessionelle Quereinsteiger zur Entlastung des pädagogischen Fachpersonals zu setzen – ist heftig umkämpft. Besonders heiß her geht es in Hessen. Dort steht eine Reform an, mit der die schwarz-grüne Regierung Kitas in Zukunft ermöglichen will, statt wie bisher 15 Prozent des Kita-Personals bis zu einem Viertel der Kräfte mit fachfremden Quereinsteigern zu besetzen, wenn diese sich berufsbegleitend weiterbilden. Die oppositionelle FDP greift das Vorhaben als „Gefahr für die Kinder“ an und fürchtet eine „Entwertung des Erzieherberufes“. Die ebenfalls oppositionelle SPD sieht es pragmatischer. Besser seien doch fachfremde Kräfte als gar keine frühkindliche Bildung.
(Frankfurter Rundschau)
Wie groß die Not ist, zeigt ein Blick nach Berlin. Dort haben pädagogische Fachkräfte und Verdi diese Woche noch einmal heftig protestiert und ein Manifest für Bildung und Entlastung in Kitas vorgelegt. Vorgeschlagen wird beispielswise ein Personalbarometer, um Personalbedarf und tatsächliche Besetzung gegenüberzustellen.
nd-aktuell.de
Zitat der Woche
„Man kommt einfach nicht dazu, gezielte pädagogische Bildungsangebote zu machen, zum Beispiel die notwendige Sprachförderung in Kleingruppen“. (…)
(Mariana Varga, Erzieherin in Berlin-Lichtenberg, Neues Deutschland)
Das ohnehin überlastete Personal in Kitas muss in Rheinland-Pfalz nun auch noch auf die bislang vom Bund bezahlten Sprachförderkräfte in über 250 Kitas verzichten. Das führt uns zum
Heulie der Woche
Anders als die allermeisten Bundesländer hat Rheinland-Pfalz das Aus für die über 250 Sprach-Kitas im Land verkündet. Die Förderung des Bundes ist zum Sommer ausgelaufen, und die pfälzische Landesregierung will die gezielte Sprachförderung nicht mit Landesmitteln weiterfinanzieren. Anders als Rheinland-Pfalz finanzieren die meisten Bundesländer die zusätzlichen Sprach-Förderkräfte in Kitas nun selbst.
antenne-mainz.de
Warum es keine gute Idee ist, den ohnehin schwer belasteten Erzieherinnen im Alltag auch noch die Spracharbeit aufzubürden lesen Sie hier.
Berlin macht’s anders. Aus den 173 Millionen Bundes-Euro, die über das kürzlich mit den Bundesländern festgezurrte KiTa-Qualitätsgesetz fließen, zweigt einen Teil ab, um die Sprach-Kitas in Landesregie weiterzuführen. Der Erhalt der Sprachförderung spiele eine entscheidende Rolle. Sprache sei das Tor zur Welt, sagt Katharina Günther-Wünsch Berlins Senatorin für Bildung, Jugend und Familie.
berlin.de
Die junge Welt liefere uns eine systemübergreifende Polemik von der Verfalls-Geschichte des Kindergartens in Ost und West hin zur Verwahrungsanstalt. Hier können sie sich aufs angenehmste erschüttern lassen.
Wir geben trotzdem nicht auf und schauen uns nach Laune-hebenden Meldungen um. Und wir werden fündig. Statt langwierige ideologische Debatten zu führen, machen manche die Not zur Tugend und lassen sich was einfallen, zum Beispiel um Sprachbarrieren mit Geflüchteten zu überwinden. Vor dem folgenden Projekt ziehen wir den Hut und empfehlen es zur Nachahmung:
Idee der Woche
Verstehen ohne viele Worte: Im Kindergarten Steinbreite in Hannover verständigen sich kürzlich immigrierte Eltern und Kinder mit Kita-Erzieherinnen, auch wenn sie noch kein Deutsch können. Dabei helfen 42 bebilderte Karten mit 230 Botschaften zu Emotionen, Essen, Verhalten, Hygiene und Krankheit etc. Das Pilot-Projekt „Mit offenen Karten“ wurde vom Verband binationaler Familien und der Niedersächsischen Lotto-Sport-Stiftung geförderte. Der Bildungswissenschaftler Abdurrahim Derya und die Erzieherin Atiye Tekdal haben die Karten entwickelt.
(Stadt-Anzeiger West, Hannover)
Bevor es zu schön wird, hauen wir Ihnen abschließend noch ein bisschen was um die Ohren. Sie haben es mitbekommen – beim Elterngeld soll gespart werden, und zwar, wenn Paare zusammen mehr als 150 000 Euro verdienen. Das wird bereits munter diskutiert. Rückschritt für die Gleichberechtigung? Oder zumutbare Belastung für Wohlhabende? Der NDR liefert hierzu im Pro und Contra den Diskussionsstoff für’s Wochenende.
ndr.de
Bleiben Sie wach. Wir tun es auch.
Schönes Wochenende
Ihre Kita-Stimme.berlin