Berliner Kitas arbeiten täglich am Limit

Berliner Kitas arbeiten täglich am Limit, um die angespannte Pandemielage in den Griff zu bekommen. Die starre „Test-to-stay“-Pflicht erschwert dies nun zusätzlich.

In einer Videokonferenz mit Freien Trägern im Trägerbündnis Kita-Stimme.berlin wird am Dienstagnachmittag vor allem deutlich: Das aktuell vom Senat eingeführte „Test-to-stay“-Verfahren ist nicht immer umsetzbar, schafft neue Probleme, schürt neue Ängste und hilft nicht, Personalnot und Elternsorgen einzudämmen.

Das Test-to-stay-Verfahren gestattet es Kindern und Mitarbeiter*innen auch bei Direktkontakt mit corona-positiven Personen in der Gruppe weiter in die Kita kommen, wenn sie symptomfrei sind und sich an fünf aufeinander folgenden Tagen täglich testen.

„Wir sind in einem Dilemma, was die Mitarbeiter*innen betrifft, die sich im Stich gelassen fühlen“, so Kathrin Janert, Vorständin des Evangelischen Kirchenkreisverbands für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord mit 35 Kindertagesstätten. Denn diese sind durch die Test-to-stay-Regelung täglich einem noch größeren Infektionsrisiko ausgesetzt. Manche haben Familienmitglieder, die zu besonders vulnerablen Gruppen gehören, dürfen aber nun nicht mehr selbst entscheiden, ob sie in Quarantäne gehen möchten oder nicht. Teilweise ermöglichen die Einrichtungen diese freie Entscheidung weiterhin, aber das wiederum sorgt für eine noch größere Personalnot.

Ein weiterer schwieriger Punkt sind die fehlenden Quarantänebescheinigungen. Auch dies wird nach Erfahrung der Träger in allen Bezirken unterschiedlich gehandhabt. Teilweise werden sie noch ausgestellt, teilweise nicht. „Wir haben jetzt ein eigenes Schreiben entworfen, damit die Eltern irgendwas in der Hand haben gegenüber den Arbeitgeber*innen. Das wird aber für Krankenkassen nicht reichen. Uns ist das gute Verhältnis zu den Eltern wichtig, aber wir haben keine Rückendeckung von den Behörden,“ erklärt eine Geschäftsleiterin eines weiteren Trägers.

Test-to-stay erhöht zudem die Anzahl der benötigten Tests gewaltig. Auch hier keine Sicherheit für niemanden. Sowohl, was die Qualität der Tests angeht als auch die Abholung dieser. Bislang müssen die Träger selbst zu den Jugendämtern fahren und dann unzählige Tests in den Kitas verteilen. Ein riesiger logistischer Aufwand in Zeiten, in denen es an allen Ecken an Personal mangelt.

In der offiziellen Elterninformation vom 19. Januar hatte die Senatsverwaltung darauf hingewiesen, dass auch Eltern, andere Familienangehörige oder andere dem Träger bekannte Nicht-Fachkräfte in der Betreuung eingesetzt werden könnten, wenn es zu viele Ausfälle im Erzieher*innen Team gäbe. Diesen Vorschlag empfinden zahlreiche Mitglieder unseres Bündnisses als verantwortungslos und Zeichen fehlender Wertschätzung, da es eine Entprofessionalisierung des Erzieher*innenberufs darstellt und suggeriert, „diesen Job könne jeder machen“.

Ziel der Träger ist es, dass die Kinder in der Pandemie trotz aller Regeln ein größtmögliches Maß an Normalität erfahren. Diese immanente Fürsorgepflicht steht zurzeit im krassen Konflikt mit den vielfach schlicht nicht praxiskompatiblen Regelungen. Rainer Oetting vom Deutschen Roten Kreuz, Kreisverband Berlin-Nordost e.V. fasst die Lage zusammen: „Wir operieren derzeit in einem rechtlich fragwürdigen Raum und sind gezwungen, eigene Regelungen zu treffen, die uns im Zweifel viel Geld kosten. Wir brauchen hier eine Verbindlichkeit!“

Die globale Pandemie stellt uns alle weiterhin vor große Herausforderungen und das Trägerbündnis Kita-Stimme.berlin erwartet vom Senat selbstverständlich keine Wunder. Aber dringend notwendig wären eine bessere Abstimmung, schnelle Kommunikation sowie vor allem eine Abstimmung mit den Trägern über realistische und praxisnahe Regeln und deren Umsetzung, bevor diese in Kraft treten – und eben auch Regeln, die flexibel an die Situation der unterschiedlichen Einrichtungen angepasst werden können. Die Bedürfnisse von Eltern, Mitarbeiter*innen, den Kindern selbst und den Verantwortlichen bei den Trägern sind zu unterschiedlich, um hier eine einheitliche und für alle verbindliche Vorgehensweise zu verlangen.

Die klaren Wünsche unseres Bündnisses sind in dieser Gesprächsrunde sehr deutlich geworden:

  • Die Träger brauchen individuelle Entscheidungsfreiheit, ob Quarantäne oder Test-To-Stay
  • Überprüfung der Sensitivität der Tests sowie eine effektive Organisation der Verteilung durch die Verwaltung
  • Kontakt und Kommunikation der Senatsverwaltung mit den Trägern muss dringend optimiert werden
  • Vereinfachung des Verwaltungsaufwands, was beispielweise die umfänglichen Mitteilungsverpflichtungen von Teststatistiken betrifft

Die Kita-Stimme ist das freie Nachrichtenportal für die frühkindliche Bildung in Berlin und Lobby für freie Kita-Träger.

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